Für Jens
Ich stehe da an deinem Grab
nach so vielen Jahren wieder.
Es ist wie damals,
gleich die Trauer, gleich der Schmerz.
Wärst du doch da in dieser Welt der Gegensätze!
Wärst du doch da, Freund,
wenn auch weit weg von mir,
wenn auch mir unbekannt.
Wärst du doch nicht so fern
von dieser Welt der Grenzen
und der Körperlichkeit.
Du sagst in meinem Herzen:
„Ich bin ja da, so sehr.
Ich kenne dich, lächle dir zu
und danke dir für deine Treue
und bitte dich, dem Wind zu lauschen,
der die Tränen trocknet.
Ich bitte dich, die Luft zu atmen hier,
ganz bewusst,
die Leben ist für Leib und Seele.
Ich bin um dich und bin in dir
und bin bei denen,
die den großen Schmerz zu tragen hatten,
die ihn tragen weiterhin,
mir zum Gedenken.
Ich bin da und möchte trösten,
möchte so gern sagen,
wie gut doch alles ist für mich,
für euch und für die Welt.
Es ist gut und weit,
und wir sind nicht getrennt,
weniger sogar, als noch zuvor,
da ich da war körperlich.
Sag es der Welt,
dass es mich so sehr gibt, so sehr.
Komm wieder her und denke an mich.
Ich will es dir danken, will dich trösten
und will dein Singen gern entgegennehmen.
Ich bin dir nah, so nah.
Sei fröhlich, lebe in der Fülle.
Die Birke hier, du kennst sie wohl
und dort den Schatten jener Bäume,
die da stehen so wie damals.
Und doch lebt alles weiter,
wächst und gedeiht.
Stillstand und Ende sind nur Illusion.
Die Wahrheit, sie heißt Lebensliebe
Liebesleben.
Und sie hört nie auf.
Der Tod ist auch nicht mehr,
als der Schatten dort bei den Bäumen.
Schau hin und du wirst die Welt darin
und auch dahinter klar erkennen.“
Das Haus
Es gibt so viele Räume in dem Haus.
Den Dachboden mag ich besonders,
die kleinen verborgenen Kammern auch.
Die Eingangshalle und der Festsaal
schüchtern mich ein.
In der Küche ist es mir zu gesellig.
Der Keller, der ist düster, schaurig,
aber auch geheimnisvoll.
Dich will ich finden hier.
Wo bist du gerne?
Du bist im Begegnungsraum,
unterhältst dich,
bist für alle da,
doch nicht für dich selbst.
Nur in deiner Kammer kannst du dich finden.
Nur dort bist du ganz du.
Es ist jedoch kein Seelenspiegel dort,
kein anderes Du,
das dir von dir die Schätze zeigt,
die du selbst nicht siehst.
Ich will dort hinein zu dir,
will dir im Festsaal, in der Küche,
im Keller, Dachboden
und auch in deiner Kammer
GANZ begegnen.
Fata Morgana
Dieses Trugbild ist real,
aber anderswo.
Es existiert, aber nicht dort,
wo du es vermutest.
So bist du also:
Du stehst vor mir,
sehr schön, sehr einladend,
Wasser in der Wüste,
Oase mitten im Ödland.
Ich komm dir näher,
will dich berühren, dich erfreuen,
mich an dir laben.
Doch du bist gar nicht wirklich da,
nur ein Bild von dir
schwebt zitternd in der Luft.
Du selbst bist ganz woanders,
weit weg von mir,
weit weg von dir.
Deine Erscheinung labt das Auge
und das Herz,
nicht aber meine Ganzheit,
nicht aber deine Ganzheit.
Stammbuchbild
Den Freund fragte ich drei Mal,
ob er denn diese Nähe will,
die ich ihm anbot.
Er sagte drei Mal ja.
Er sagte:
„Wenn etwas fließt, dann fließt es“,
nicht wissend vielleicht,
wie nah ich Nähe meinte.
Dann rief er plötzlich: „Stopp!
Nicht weiter!
Freundschaft war nicht vorgesehen.“
Ich blieb stehen, wie beim Spiel „versteinert“.
Und fühlte mich versteinert,
ratlos und gekränkt.
Dann dauerte es lange Zeit,
bis die von mir geknüpften Bande
gelöst und offen waren.
Jetzt bin ich wieder frei
und um viel Erfahrung reicher,
um Liebe reicher für den fernen Freund.
Er ist nun das hübsche Stammbuchbild,
Erinnerung aus fernen Zeiten.
Er ist mir die ernste Statue,
die den ganzen Raum verschönert,
nur weil sie da ist.
Er ist mir kein Du mehr,
das antworten könnte und agieren,
ja nicht einmal reagieren kann er
oder will er.
Er ist das inhaltsreichste Buch in dem Regal,
das schönste Bild an meiner Wand,
ein Sinnbild für alles Gute, Wahre,
doch kein lebendiges Du für mich.
Wald und Teich
Die Waldfee traf den Wassermann mitten im grünen Wald.
Sie freute sich und fand ihn hübsch.
Er freute sich auch und fand sie interessant.
Sie wollte ihm die Schluchten zeigen,
geheime Plätze der Zyklamen.
Sie wollte mit ihm tanzen auf dem Moos
und um die Wipfel wirbeln im wilden Flug.
Das fand der Wassermann verwerflich,
unschicklich und auch mühsam.
Sie sollte mit ihm ins kühle Nass abtauchen,
sollte ganz nach seiner Art
dem Wellengang geschmeidig folgen
in der Tiefe.
Dort gab es kein Gejauchze
und kein Schnäbeln, Turteln,
sich im Moos vergnügen.
Feierlich behutsam mit den Wellen gleiten,
das war die Welt des Wassermanns.
Darum wohl mündete diese zunächst so freundliche
Begegnung nicht in die Zweisamkeit.
Der Wald lächelte zu dem Geplänkel,
denn der tiefe Teich inmitten seiner Bäume
war sein lieber Freund.
Luft, Sonne, Wasser brauchten sowohl der Wald
als auch der Teich.
Der tiefe stille Teich war für den Wald ein Schatz
mit glitzernden schillernden Bewohnern darin.
Der weite vielfältige Wald war für den Teich ein Schatz
mit Vogelsang und Blätterrauschen.
Hätten Wassermann und Waldfee das nur gewusst!
SEGEN
Segen sei dem Betenden,
dem fernen Nahen,
dem Nahen, der mir fern ist.
Sein Beten strahlt weit aus,
in uns hinein
und von uns weiter,
immer weiter.
Segen sei dem Stillen,
der Gott sucht und findet,
der sich finden lässt
von dem Erlöser, Begleiter, Ursprung.
Sein Angekommen sein
ist immer neu und lebt
und lässt uns sein so wie wir sind,
heißt uns willkommen in dem Raum,
der Welt ist und in Ewigkeit mündet.
Segen sei dem Feiernden,
der die Begegnung zelebriert
in Gesten, Riten, Worten, Blicken,
der Mensch ist unter Menschen,
ein Suchender,
der uns zum Finden hinführt.
Er möge tief in sich das Liebesstrahlen spüren,
das Angekommen sein und auch das Finden
später dann in Gottes Schoß
und hier in der Welt
und in jedem Augenblick,
bei jedem Atemzug,
bei jedem Wimpernschlag
seines reichen Lebens.
Märchenprinzen
Der Bär traute Rosenrot, das Biest liebte die Schöne.
Der suchende Geduldige küsste Dornröschen,
der Frosch holte die goldene Ganzheit aus der Tiefe.
Vergängliches zu Ewigem spann die Müllerstochter ihrem Liebsten.
Und der Jägerprinz verschonte das Bruderreh für die Waldschönheit.
Aus der Asche holte der Mitternachtstänzer seine Liebe.
Und als Bettler ging der reiche Verhöhnte,
um ein verschlossenes Herz zu öffnen.
Der Reisende erkannte das Zweiäuglein
als seine Liebe im wahren Menschsein
und hinter vielen Tiererscheinungen
entdeckte der Herrscher seine Braut.
Nach all dem wundert es nicht,
dass meine Liebe ein Adler ist,
ein Elch, ein Frosch und auch ein Hund,
ein Nebelwesen, eine Schlange,
ein Wassermann, ein Baum, ein Elf, ein Zwerg.
Ein Allerleirau ist meine Liebe,
ein Rehbock und ein Drache.
Und darum, ja darum
ist mein Geliebter
ganz Mensch für mich.
Das Kleid der Mutter Gottes
(für die Pilgernden)
Als schlichte Holzfigur erschien sie uns
und wollte sagen:
„Seht, da bin ich, mitten unter euch,
eine von euch,
als Teil der großen Gabe Gottes,
der Natur.“
Die Menschen stellten sie weit weg,
ganz hoch hinauf, ganz unerreichbar,
umgaben sie mit Gold,
mit Glitzerwerk und reichem Stoff.
Sehr verändert steht sie nun da.
Ganz winzig, braun und schüchtern,
lugt sie hervor aus all dem,
das sie verbirgt.
Doch sie will uns weiterhin begegnen
und tut es lächelnd, frei,
wenn sie mit jenen wandert,
die Augen haben und ein Herz
für die Wiesen, Blüten,
für den Tau, die Waldeskühle.
Für diese Menschen ist der Weg das Ziel,
so sehr!
Ohne diesen Weg wäre das Ziel
vielleicht doch nur ein kleiner brauner Blick
hinter all dem,
das die Wahrheit im Glitzerwerk versteckt.
Warum auch?
Du strafst mich mit Schweigen,
weil du nichts zu sagen weißt.
Was für ein Déjà Vu für mich!
Doch diesmal gebe ich nicht klein bei
und schmachte nicht allein im Stillen.
Nein, ich habe dich im Griff,
doch nicht mein Verlangen.
Warum auch?
Du stehst vor mir
und schaust mich an,
wie die Maus die Schlange anschaut.
Auch ich schaue dich an.
Mein Blick nimmt dich ganz in mir auf,
so wie der Gärtner seine Rosen,
wie der Künstler sein Gemälde
in sein Herz lässt.
Und doch bist du es,
der mein Empfinden gepflegt hat, geschaffen,
du bist es, der meine Lust entflammt.
So lege ich sacht meine Hand auf dich.
Auf dein Herz, auf deine Mitte,
auf dein ganzes Sein lege ich mein Sein
und will mich dir ergeben.
Du willst dich aber nicht ergeben,
kannst dich nicht öffnen.
Ich öffne dich,
öffne deine Lust und Freude
und befreie dich von dir.
Befrei dich, Lieber, aus deiner Glaskuppel,
in der du lebst als Glücksbringer.
Glück bringst du damit mehr denn je.
Ein Glück, das dich selbst erfüllt.
Nur dieses Glück beschenkt auch andere
letztendlich.
Was Gott gibt durch mich
Jetzt weiß ich endlich was ich will
von einem Freund
und ich weiß vor allem,
dass es sich mir mit großen Schritten nähert:
Ich will so viel Liebe, wie ich sie schenke.
Ich will so viel Interesse, wie ich selbst aufbringe.
Ich will so viel Hingabe, wie ich sie darbringe.
Ich will so viel Aufmerksamkeit, wie ich sie pflege.
Ich will GESCHENKT, was ich auch SCHENKE:
Freiheit, Freude, Glück.
Es steht mir zu und ist mein Erbe.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“,
heißt es. Eben.
Wie blind war ich stets
für den zweiten Teil dieses Zitats!
Wer vor mir flieht,
dem blicke ich nicht einmal hinterher.
Wer mich so taktlos übersieht,
den schaue auch ich nicht an
mit meinem Blick,
der so viel sieht
und so viel kennt
und so viel heilen könnte.
Wohl dem,
der zu empfangen weiß,
was Gott mich geben lässt.
Der Igel
Der Igel war so süß und putzig.
Behende eilte er auf kurzen Beinchen durchs Gestrüpp
und war so nützlich, war so lieb.
Alle, die ihn sahen riefen gleich:
„Schau, ein Igel! Wie niedlich und wie hübsch!“
Denn er zeigte sich selten und auch dann nur im Dunkeln.
Natürlich war er nicht zum Streicheln da.
Er wollte das auf keinen Fall
und schützte sich erfolgreich.
Alle liebten ihn und er ging seinen guten Weg.
Die Katzen mieden ihn,
hatten Respekt vor seinen Stacheln.
Das Kind betrachtete ihn liebevoll an Sommerabenden.
Es träumte das Kind, den Igel zu streicheln.
Es träumte der Igel von weichem Fell.
Nur im Traum fanden die beiden zueinander.
Nur im Traum entdeckte das Kind
die weiche Seite des wertvollen Freundes.
Und nur im Traum schützte er sich nicht.
Die Stacheln legte der Igel an,
schmiegte sie eng an sich, um sie zu glätten,
um Neues sein zu lassen.
Luftliebe
Küsse mit dem Einen wurden nicht geschenkt.
Die innige Umarmung, sie blieb aus.
Die Meisterin der Luftliebe jedoch tröstete mich
mit zarten Tönen, mit wilden Klängen
und auf tausenderlei Art.
Ewige Liebesschwüre blieben mir verwehrt,
das klare Bekenntnis blieb aus.
Die Meisterin der Luftliebe jedoch tröstete mich
mit zarten Tönen, mit wilden Klängen
und auf tausenderlei Art.
Nicht einmal meine Kunst der Worte
besänftigte den Gram,
Poesie blieb ohne Wirkung auf meine Trauer.
Die Meisterin der Luftliebe jedoch tröstete mich
mit zarten Tönen, mit wilden Klängen
und auf tausenderlei Art.
Die Meisterin der Luftliebe
kommt einher mit Schwingungen,
sie zaubert neue Welten
und öffnet alle Himmelstore.
Die Meisterin der Luftliebe
schwingt zur Ekstase auf
mit Rhythmen und Akkorden,
mit sanftem Piano,
mit Pausen,
mit ständig neuem Schwung.
MUSIK, du Meisterin, die Kulturen einigt,
Musik, die du Unaussprechliches zum Ausdruck bringst,
Musik, du Trost und Liebesschwur,
weit erhaben über alle Schwächen,
über alle Grenzen.
Hier in dieser Welt
Man kann gar nichts verlieren,
nicht die Zeit und nicht die Liebe,
nicht sein Gut und nicht die Freude.
Die Zeit ist Illusion
Alles ist ein Jetzt und Immer.
Die Kindheit und das Greisenalter,
alles ein hübsches Spiel des Windes,
ein Lächeln, ein Flügelschlag.
Die Liebe, sie ist Ewigkeit,
sie lodert in vielfältiger Form,
tief im Herzen, tief im Sein.
Das wahre Gut, das bin ich selbst:
mein Ich im Körper, im Sprechen und im Schweigen.
Und die Freude, ja die Freude ist jeder Augenblick
Des bewussten Schauens,
des bewussten Hörens, des bewussten Fühlens.
Man kann gar nichts verlieren,
gewinnen kann man immer.
Es dauerte so lange –
nach gemessener Zeit, die doch nur Schein ist –
bis ich erkannte, dass ich den Lieben,
den ich am Grab besuche,
nicht verloren, sondern neu gewonnen habe.
Ihr Himmel, nehmt es mir nicht übel,
wenn ich sage, dass ich auf diesen Gewinn
gern verzichtet hätte,
könnte an dem Grab ein anderer Name stehen,
könnte der liebe Ferne heute lachen, scherzen,
sich ärgern oder Zeit totschlagen
hier in dieser Welt.
Feiernde Sinne
Mir bleibt dein Kuss verwehrt und die Umarmung.
Mir bleibt dein Liebesschwur verwehrt
und Dein Bekenntnis.
Darum suche ich nach Trost,
nach Ersatz suche ich für den Verzicht.
Tief atme ich bei den Rosen ein
und bin erfreut über diesen vollen Duft.
Noch einmal atme ich mit geschlossenen Augen.
Da spüre ich dich und rieche deine Haut
und dein ganzes Dasein
und bin erfreut über dieses Sein mit dir.
Ich will lauschen,
die Natur soll mich erheitern,
soll meine Sinne auf sich lenken,
weg von dir.
Ich schließe die Augen
und vernehme ganz deutlich dein Summen
nah an meinem Ohr, dein trautes Atmen,
die Zweisamkeit, die da ist,
so deutlich, dass sie uns bereits ruft,
uns beim Namen ruft.
Ich denke, wie verwirrend
der Freund Körper doch ist,
wenn er mehr trennt als vereint.
Ich lobe meinen Freund, den Körper,
er bemüht sich so sehr
und ist mir stets zu Diensten.
Freundlich gönne ich ihm duftende Seifen und Cremen
und Luft und Sonne, Bewegung und Ruhe.
Ich schließe die Augen und spüre dich in mir,
mich in dir, ich atme dein Atmen
und seufze dein Seufzen.
Deine Haut an meiner Haut spüre ich,
deine Hände, die meine ergreifen,
deine Lippen, die meine berühren,
so zaghaft, so sanft.
Alle meine Sinne singen und tanzen,
alle Sinne sehnen und hoffen.
Alle Sinne feiern dein Du.
Sie tun es mit dir und ohne dich.
Feiere mit,
es soll dein Schaden nicht sein.
Zusage
Wie überaus traurig, mein Freund,
die Zusage an dich,
die Absicherung für dich,
die du brauchst und willst.
Eine Versicherung, die wie Drohung klingt
in meinen Ohren,
in meinem Herzen.
Ich gebe sie dir, weil ich deinem Wunsch
mit Respekt begegne.
Ich schnüre die Worte in ein Paket,
damit nichts passiert durch mein
ungeschicktes Herz.
Ich überreiche dir die traurige Gabe
mit dem Inhalt:
„Freundschaft ist nicht mehr zu befürchten“.
Jemandes Gebet:
Gott, DU liebes ICH, ganz in mir drin,
du schönes DU stets um mich her,
DICH will ich suchen, immer,
und sehe doch, dass du mich
längst gefunden hast
seit Ewigkeiten und in jedem Jetzt.
Von dir, du TRAUTER, will ich künden
und weiß doch, dass DU aus mir sprichst
mit jedem Blick, mit jedem Lächeln,
jeder Träne, die mir in DIR,
durch DICH und immer mit DIR
geschenkt sind
hier in dieser Zeit,
die wie ein Traum ist,
da DEINE Nähe, DEINE Liebe
Wirklichkeit bedeutet,
die einzige.