Traumbild


Er sah sich im Traum auf der Bühne stehen.

Und er war gut in seiner Rolle.

Sein ganzes Herz legte er in das Spiel.

Die Menge schwang mit ihm auf derselben Frequenz.

Schön war das.


Dann entdeckte er sie, die Gefährtin, und höher schlug ihm der Puls,

inniger wurde sein Spiel.

Sie lächelte nicht, bewegte sich nicht,

sondern blickte nur konzentriert auf ihn.

Dann schloss sie die Augen und löste sich auf.

Geheimnisvoll, beängstigend war sie verschwunden.


Nun verlor sein Spiel etwas an Glanz.

Beunruhigt blickte er in die Menge.

Es gefror ihm das Blut, denn sie alle waren Puppen, Attrappen.

Er wandte sich ab und eilte weg.


Dann befand er sich im Garten seiner Kindheit.

Hier fühlte er sich sicher.

Bevor er ins Haus trat, ordnete er sein Gewand.

Alles musste ordentlich sein.


Im Haus wartete nur eine Person lächelnd mit offenen Armen.

Es war die Gefährtin. Beglückt umarmten sie einander.

Festhalten wollte er sie,

doch wieder war sie verschwunden.

Vielleicht war es nur Einbildung gewesen.


Dann sah er sich wieder auf der Bühne

und entdeckte erleichtert, dass die Menge freundlich applaudierte.

Jeder einzelne im Saal lebte und lebendig war auch ihre Zuwendung.

Er verneigte sich tief.


Als er sich wieder aufrichtete, trat die Gefährtin auf ihn zu,

um ihm Blumen zu überreichen.

Er bekam den Strauß mit einem kleinen Kuss auf die Wange

und mit strahlendem Lächeln.

Nun war alles gut.




Verzicht – Gewinn


Von Sinnesfreuden abzusehen, um geistige Wonne zu erleben,

erscheint mir, wie wenn jemand Milch trinken wollte,

das Gefäß aber ablehnte.

Wie wollte er die Milch aufnehmen?

Vom Euter?

Vom Tank des Milchtransporters?

Will er die Milch mit der Hand aus dem Kübel schöpfen,

wie jemad, der sich bückt und von der Quelle trinkt?


Entsagung um der Entsagung Willen ist Hochmut

und Undank dem Schöpfer gegenüber,

der uns die Welt zu unserer Freude schenkt.


Wenn ich aber den Wert klaren Wassers kenne,

möchte ich keinen Sirup mehr.

Jede Süße würde mir den Genuss des Ursprungs trüben.

Dann entsage ich Unnötigem zugunsten des Besseren.


Es gibt keinen Verzicht mit Gott,

da gibt es nur Gewinn.





Betteln


Nichts ist mir geblieben,

als Bettlerin knie ich vor dir.

Ich bettle um deinen Blick, deinen Geruch,

um deine Nähe.

Ich bettle, lechze, sehne.


Tief gebeugt knie ich vor dir, voll Demut.

Und das erhebt meine Seele.


Es erhebt mich, vor dir zu knien,

da du dich zu mir neigst,

mich zärtlich berührst und anschaust.


Du kniest dich zu mir, umarmst mich sanft.

Das ist dein Bekenntnis.




Entblößt


Entblößt stehe ich vor dir.

In keiner Weise schütze ich mich vor dir.

Und meine Blöße ist nicht weibliche Macht,

ist keine Sinneswaffe.


Demütig und klein, glanzlos, voll der Makel

zeige ich mich dir.

Und kenne alle deine Stärken,

die ich liebe.

Und kenne viele deiner Schwächen,

die ich liebe.


Den Mantel der Vernunft habe ich abgelegt.

Die Schuhe der Zuversicht habe ich abgestreift.

Das Kleid der Talente liegt am Boden.

Die Wäsche meiner Würde bedeckt mich nicht mehr.


Schutzlos stehe ich vor dir,

der du mich anblickst, freundlich.


Die Lilie meiner Haut erkennst du.

Das Gänseblümchen meines Blickes magst du.

Die Rose meiner Sinnlichkeit meidest du.

Die Tulpe meiner Zuneigung beginnst du zu betrachten.

Du atmest ihren Duft.

Du erfreust dich ihrer Farbe.


Du blickst mich an.





Verzehren


Gott verzehrt sich nach uns

wie der Bräutigam nach seiner Braut.

In dieser zärtlichen Sehnsucht ist Er in uns,

wenn wir uns verzehren

nach dem einen Menschen der Liebe.


Ich verzehre mich in der Liebesflamme,

die ausstrahlt für Viele.

Ich verzehre mich wie das brennende Holz im Kamin,

das den Raum wärmt.

In der Liebe vergehe ich und das ist mein Gewinn.


Im diamantenen Funkeln erwache ich

nach dieser Nacht des Lebens

und finde mich wieder als Tautropfen am Grashalm.

Der Morgenstern belebt mein Funkeln.


Groß ist die Welt und schön.





Umzäunter Nussbaum


Abschied von meinem lieben Nussbaum muss ich nehmen.

Niemand wird die kostbaren Nüsse knacken.

Einen Zaun hat man errichtet rund um den Garten,

rund um meinen Baum.


Ich hatte seinen Schatten genossen, seine Würde,

das Säuseln in seinen Blättern.

Ich hatte so manche Nuss geknackt

als liebes Geschenk unserer Freundschaft.

Nun kann ich ihn von Ferne nur betrachten,

kann beobachten, wie flinke Eichhörnchen die Nüsse horten.


Der Baum winkt mir wohlwollend zu.

Er merkt nicht, wie mich die Trennung schmerzt.

Er wurzelt tief und wendet sich der Sonne zu.

Seine Nüsse sind Ergebnis dieser zweifachen Neigung,

die sein Herz erfüllt.


Sein Herz hat nicht für mich gelebt,

auch nicht für die Eichhörnchen,

nicht einmal für sich selbst.

Es lebt nur für die Wurzeltiefe

und für die Sonnenhöhe und dafür,

dass daraus Nüsse reifen.


Ist er weise, mein lieber Nussbaum,

oder einsam?




Aufgewacht


Mein Dornröschenprinz ist aufgewacht.

Er schlug die Augen auf und staunte über diese Welt.

Mit neuen Augen sah er sie.

Er dehnte sich und streckte sich

und konnte nicht begreifen,

was nun Wahrheit war und was Traum.


Zur Sicherheit blieb er vorerst im Turmzimmer

und betrachtete die Spindel.

Ob sie wirklich stechen würde?

Ob er sie zu gebrauchen wüsste?


Mein Rapunzelfreund entdeckte die Treppe nach unten.

Sie führte in die Freiheit, die so weit war, so fremd, bedrohlich.

Und doch lud sie ein und lockte ihn.

Erfreut lief er über die Wiese hin zum Bach.

Dessen Wellen glitzerten ihm ein Willkommen.


Der Wald lockte geheimnisvoll und dunkel.

Ein Reh stand dort. Es wartete,

erwiderte des Freundes Blick, dann huschte es fort.


Mein Glücksbringer in der Schneekugel

sehnte den Sommer herbei.

Er wollte Berge erklimmen, der Sonne entgegen.

In seiner Glitzerwelt wanderte er umher

und suchte Hinweise, Vorboten des Frühlings.


Aufgewacht bin ich aus meiner Märchenwelt.

Der Frosch ließ sich nicht küssen,

Zweiäugleins goldene Äpfel interessierten niemanden.

Das Rotkäppchen verführte schließlich doch den Wolf,

Aschenputtel wurde mollig, als es die sieben Geißlein

grillte und verspeiste.


Eine verkleidete Prinzessin

marschierte vor der Dornenhecke auf und ab,

da der Dornröschenprinz lieber mit der Spindel spielte,

als aus dem Turmzimmer zu kommen.


Aufgewacht ist mein Prinz, um zu erkennen,

dass die Aussicht im Turmimmer weit und schön war.

Der Rapunzelfreund kehrte am Abend zum Turm zurück,

müde vom Ausflug.

Der Rauchfangkehrer in der Schneekugel hob die Arme,

um den Glitzerschnee aufzuwirbeln.

Vertrauter schien ihm das, als Wiese, Wald und Bergeshöhen.


Ich bin aufgewacht und suche nach der sogenannten Wirklichkeit.

Märchen und Träume warten geduldig auf mich am Bücherregal.





Sanftes Wiegen


Sanft wiegt die Mutter ihr Liebstes im Arm;

ein Schaukeln der Geborgenheit.


Sanft wiegt sich der Jüngling auf der Schaukel,

wiegt sich im Tanz, spürt die eigene Kraft

als wiegende Freude,

rhythmisch wie der Atem.


Freundlich wiegt der Wind den nachdenklichen Erwachsenen,

streichelt ihn, flüstert zärtlich Liebesworte.


Sanftes Wiegen hin und her und her und hin

in ungenannter Sehnsucht nach Nähe und erlösende Leere.


Kein Wiegen in zärtlicher Umarmung gibt Erleichterung,

kein Messen mehr im Wettstreit der Kräfte -

die Jugend ist vorüber.


Letztes Wiegen, vorsichtig, im Bett aus Holz,

im letzten Ausruhen.

Möge die wiegende Geborgenheit nun Wahrheit sein,

die erlösende Leere Vereinigung in Liebe,

hinein in Ewigkeit.




Lourdesgrotte


Wir sangen alte Lieder,

leise plätscherte der Brunnen,

vor mir das Bild der Heiligen im Schlaf,

der Heimkehr bedeutet.


Dann sang der Priester das Hochgebet,

feierlich und schön.

Es öffnete sich die Grotte,

Felsen wurden zu Luft,

wurden zur Fernsicht in Geschichte und Zeit.

Alles war ein klares Jetzt,

ein verständliches und freundliches.


Die Mutter winkte und auch viele andere waren da,

denn es gibt die Wand zum Jenseits nicht wirklich.

Scharen waren da mit Jubel

und strahlend wie die Sonne.


Das Hochgebet sang nun ein anderer,

ein vertrauter Lieber

aus der sogenannten Jenseitswelt.


Jeder Schmerz war aufgehoben,

jede Traurigkeit getröstet in diesen Worten,

da die Grotte zum Tor wurde,

weit wie der Himmel.





Lieben


Wenn ich die Augen morgens öffne,

liebe ich dich.

Wenn ich anderen Nähe schenke,

liebe ich dich.

Wenn ich am Abend müde ruhe,

liebe ich dich.


Wenn ich über Gottes Schöpfung staune,

liebe ich dich.

Wenn ich den Sternenhimmel sehe

und die Ewigkeit dahinter,

liebe ich dich.

Wenn ich im Tod den Bruder erkenne

und im Leben Vorübergang,

liebe ich dich.


Wenn ich für deine Seele bete,

für dein Geschick und deine Freiheit,

liebe ich dich.


Wenn ich Abschied nehme von dieser Welt,

liebe ich dich.

Wenn ich mich dankbar verneige

und weiterwandere, wohin Gott mich führt,

liebe ich dich.


Wenn ich inne halte und alle Welt in mir vereine,

liebe ich dich.


Dich zu lieben verleiht mir Flügel.

Dich zu lieben bringt mir Frieden.

Dich zu lieben öffnet mir die Ewigkeit.


Von dir geliebt zu werden,

wäre fast zu viel des Guten.



Feindeslager


Auch im sogenannten Feindeslager gibt es Kindertränen.

Auch bei sogenannten Fremden gibt es Hoffnungsseufzer.

Auch im größten Ärger gibt es irgendwann ein Schmunzeln.

Auch in tiefster Not winkt versteckt erlösende Ewigkeit.


Trennung ist Illusion.

Wahre Liebe bleibt nicht bei Wenigen stehen.

Mein Gebet für den Lieben gilt nur,

da es hinausstrahlt in die Welt.



Glauben


Ich glaube an die Kraft meiner Gebete.

Der Geist nimmt sie auf, verteilt sie weise.


Ich glaube an die Kraft meiner Sehnsucht.

Der Geist schenkt ihr ein weißes Kleid

und auch ein Lächeln.


Ich glaube an die Kraft meiner Liebe.

Denn der Geist ist es,

der sie mir schenkt.





Das Geheimnis


Ich kann so vieles nicht, bin nicht so toll,

bin für die Welt ein Niemand“,

sagt die Person mir gegenüber.

Ihre Augen bleiben bescheiden, freundlich.

Ihre Haltung ist entspannt und doch verschlossen.

Ihr Sehnen ist spürbar.


Ich blicke sie an, fühle mich in sie hinein,

entdecke ihr Geheimnis,

mein Geheimnis,

das Geheimnis jedes Menschen.


So sage ich:


Was muss die Quelle können?

Ihr Sein ist sprudelndes, frisches Wasser.

Unschätzbar ist ihr Wert.


Was muss der Baum können?

Er steht einfach da, wirft Schatten,

schenkt uns Früchte

allein aus seinem Sein heraus.


Was muss die Sonne können?

Sie schenkt uns Licht und Wärme, Leben.


Einfach sein ist das Geheimnis.

So sind wir fruchtbar, sind Licht und Wasser.

Lebendiges Wasser sein, Licht sein,

wachsen und Frucht bringen;

alles geschieht aus dem heraus, der uns schuf.


Selbst könnten wir es niemals machen.

Nur von uns aus sind wir tatsächlich nicht so toll.



Geben


Ich will dir feine Speisen geben, süße Früchte,

dir den besten Wein kredenzen.

Für dich will ich tanzen, singen oder schweigen.

Dein Lachen will ich nähren,

deinen Schlummer hüten.

Deine Ruhe will ich füllen mit tiefer Stille

und deine Freude mit Jubel.


Ich will da sein, wenn du Nähe suchst

und bleibe fern, wenn du allein sein willst.


Immer trage ich dich im Herzen.

Immer bin ich dankbar für dein Sein.

Immer will ich auf mich achten,

da mein Herz dich kennt.



Bekenntnis


Ich will nicht vor der Welt bekennnen, dass ich dich liebe.

Meine Mitwelt soll nicht wissen, dass ich dich liebe.

Vor dir darf ich nicht bekennen, dass ich dich liebe.

Mein süßes Geheimnis bleibst du mir.


Vor mir will ich bekennen,

muss ich bekennen, soll ich bekennen,

dass ich dich liebe.


Wer liebt, bekennt – vor allem vor sich selbst.

Wer liebt und nicht bekennt,

erschafft sich Dunkelräume, Dunkelträume,

Schattensehnsucht.


Der Schatten wird zum Gegner.

Der Schatten wird zum Störenfried.

Der Schatten ersetzt die Liebe.


Soll doch die Liebe lieber den Schatten ersetzen!




Worte


Worte können heilen, trösten.

Sie können Brücken sein,

sie sind der Raum unserer Beziehungen.


Berge aber versetzt das tiefe Vertrauen, das in uns lebt.

Aus ihm heraus geschieht Heilung, Trost und alles Gute.

Dieses Vertrauen ist die Rebe,

die aus der Liebe wächst und Frucht bringt.


Nicht die Rebe lässt Früchte reifen.

Sie wird gespeist von der Liebe,

ist durchlässig, um Liebe fließen zu lassen,

um von der Liebe genährt, beschenkt zu sein.


So entsteht die Frucht:

in der Tiefe, in der Stille bei den Wurzeln.

Sie steigt empor am Weinstock,

tastet sich hin zur Rebe und reift.


Erde, Wasser, Sonne, Luft

vermählen sich mit dem Weinstock,

der gekommen ist, uns zur Freude.


Das Ganze im Ganzen,

begegnet, gibt sich hin, begleitet.

Der Teil, in Liebe vereint, sind wir.


Worte können es nicht sagen.

Brücke, Weg und Richtung können sie sein.

Ursprung und Ziel aber

erschließt sich uns im stillen Sein.




Regenbogen


Gott hat uns süße Früchte geschenkt – uns zur Freude.

Gott hat uns Musik geschenkt – uns zur Freude.

Gott hat uns den Sternenhimmel geschenkt – uns zur Freude.

Gott hat uns Zärtlichkeit geschenkt – uns zur Freude.


Liebe fragt nicht nach dem Wer.

Liebe ist.

Von dort aus strahlt sie in die Welt.




Hm!


Augen, Ohren, Mund,

schauen, hören, fühlen;

hm!


Schultern, Arme, Hände;

Hände, ja, die Hände;

hm!


Bauch und Po, Beine, Füße

und dein Gehen;

hm!


Deine Stimme,

deine Blicke,

deine Gesten;

hm!


Du! Du ! Du!

Hm!

Großes, großes Hm!



Mit jedem Tag etwas mehr Weisheit,

noch mehr Dankbarkeit –

welch schönes Altern!

 

 

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Karoline Toso

 

karoline.toso@gmx.at

 

A-8342 Gnas

Wörth 22

 

 Fotos:

(als Umrahmung der Texte)

Mit freundlicher

Genehmigung

Dechant Mag. Georg Fröschl

Pfarre Breitensee,

 1140 Wien 

www.pfarre-breitensee.at