Die Sängerin und der taube Mann

(Oder: Caroline und Günther)

 

Es war einmal eine Sängerin. Sie war wie Orpheus, konnte Wilde zähmen, Raues glätten, Traurige trösten, Belastete entspannen allein durch ihren Gesang. Ihre ganze Seele legte sie in diesen Gesang, ihre Liebe und ihre Sehnsucht. Sie liebte einen schönen stolzen Mann. Alles tat sie, um ihm zu gefallen. Alles tat sie, damit es ihm gut ging. Sie war glücklich, wenn sie ihn sah, wenn er lieb zu ihr war, wenn er sich freuen konnte.

 

Dieser Mann aber war taub. Er liebte den Tanz und vor allem liebte er es, zarten grazilen Tänzerinnen zuzusehen. Er liebte das Ballett. Schlanke jugendliche Anmut machte ihn glücklich. Das war sein Schönheitsideal. Dass die Sängerin ihn liebte und sich um ihn bemühte, gefiel ihm und er ließ es sich gerne gefallen. Ab und zu erwies auch er ihr einen Gefallen, denn das gehörte sich so. Er bedauerte nur, dass sie so plump und ungelenk war. Ein Mauerblümchen in seinen Augen, eine Frau ohne besonderen Reiz. Zwar hatte sie es aufgeschrieben, dass sie begabt sei als Sängerin, aber das kümmerte ihn nicht, da er es ja nicht hören konnte.

 

So lebten und liebten sie aneinander vorbei, bis die Hingabe- und Sehnsuchtsgefühle aufgebraucht waren. Dann trennten sie sich wieder.

 

 

Mit jedem Tag etwas mehr Weisheit,

noch mehr Dankbarkeit –

welch schönes Altern!

 

 

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